Die schlechten Nachrichten in der Bau- und Immobilienbranche häufen sich. Was sollte jetzt passieren, was ließe sich jetzt kurzfristig ändern, damit die Branche nicht tiefer in die Krise rutscht?

Zunächst: Auch innerhalb der Branche gibt es Sparten, die weitestgehend verschont bleiben. Dennoch hat die Komplexität und Dimension dieser akuten Bau- und Immobilienkrise eine neue Qualität, der nicht nur mit einfachen, nationalen Lösungen zu begegnen sein wird, nicht zuletzt mit Blick auf die Internationalisierung der Immobilienmärkte seit den späten Neunzigern und damit auch der Finanzströme.

Auf europäischer und nationaler Ebene verlief die Erhöhung der Zinsen sehr dynamisch und hat den Markt deutlich überfordert. Die Kaufpreise wie auch Bau- und Grundstückskosten entwickeln sich vergleichsweise statisch und somit asynchron.

Dennoch sind drei Parameter relevant und haben erheblichen Einfluss:
  • 1. Eine Rückkehr zu verbindlichen und verlässlichen politischen Rahmenbedingungen auf nationaler Ebene - ohne ad hoc Entscheidungen, die zu unsteuerbaren Verwerfungen und Vertrauensverlust führen.
  • 2. Eine deutliche Reduktion der Anforderungen wie auch Ansprüche an das Bauen, insbesondere im Bestand, aber auch beim Neubau.
  • 3. Zinsvergünstigte Finanzierungen für förderwürdige Maßnahmen und ein radikaler Stop von unsinnigen Zuschüssen, die nicht beim Investor oder Endabnehmer ankommen.
  • Welche der vielen Herausforderungen bereitet Ihnen die stärksten Kopfschmerzen?

    Da gibt es mehrere, wenngleich ich auch die Chance erkenne, dass wir manche Fehlentwicklung korrigieren werden: In der Immobilien- und Baubranche hat bei vielen relevanten Akteuren ein Umdenken zugunsten zukunftsfähiger Lösungen eingesetzt - siehe auch die Debatten auf der REA!

    Dennoch: Eine wesentliches Merkmal von akuten Krisen ist sicherlich, dass regelmäßig langfristige, für Folgegenerationen politisch richtige Entscheidungen zugunsten kurzfristiger Stabilisierungen ad Acta gelegt werden.Trotz der akuten Krise sollten wir nicht die mittel- und langfristige Notwendigkeit einer in allen Belangen sinnhaften Boden- und Wohnungspolitik aus den Augen verlieren. Die Wohnungsnot in den Städten wird nicht alleinig durch die Privatwirtschaft lösbar sein - und auch nicht durch politische Konzepte, die in Wahlperioden denken.

    Neben vielen guten Projekten hat die Branche auch manchen Mechanismus etabliert, der gesellschaftlich, ökologisch und ökonomisch mehr als fragwürdig ist. Und zu einer Überhitzung der Märkte geführt hat, mit Auswüchsen bei Boden- und Kaufpreisen, Baukosten und Mieten und teils ökologischem Raubbau wie auch Ressourcenvernichtung. Die gewaltige Sprengkraft und die langfristigen - auch finanziellen - Folgekrisen für die nächsten Generationen wären kaum steuerbar, wenn wir den aktuellen Kurs fortsetzen. Ambitionslosigkeit und „Weiter-So“ sollten nicht die Antworten sein, sondern ein Weiterdenken der Lösungsansätze der vergangenen Jahre.

    Wie reagieren Sie (mit Ihrem Unternehmen/Ihrer Organisation) auf die derzeitigen Herausforderungen?

    “Wir können den Wind nicht ändern, aber wir können die Segel richtig setzen.“ (Aristoteles). Nach zwanzig Jahren in der Branche und zwei Krisen kann ich sagen: Wir glauben an Gestaltung durch Veränderung, an Lösungen durch gemeinsames Weiterdenken, an Zukunft und Wachsen an Herausforderungen, an Partnerschaft.

    Wo sehen Sie Chancen in der derzeitigen Situation?

    Ein mehr als eine Dekade währender Wachstumskurs hat auch eine starke, robuste Immobilien- und Bauwirtschaft hinterlassen, die nun seit 12 Monaten in Teilen im Krisenmodus steckt. Ein Ergebnis ist die bereits einsetzende Konsolidierung der Branche, von der Planung bis zum Bau. Manches Unternehmen wird diesen Prozess, auch unverschuldet, nicht überleben. Wie auch in früheren Krisen üblich. Es ist nicht die erste Krise, und es wird nicht die letzte sein. Und sie wird auch Gutes hervorbringen: Neue Geschäftsmodelle, neue Partnerschaften und Allianzen, neue Zukunftsvisionen.

    Drehen wir die Uhr ein Dreivierteljahr vor: Welche drei Themen stehen dann ganz oben auf der Agenda der Bau- und Immobilienbranche?

    Ganz oben auf der Agenda steht die Debatte um Entwicklungen leergefallener Gebäude wie Bürogebäude und Kaufhäuser, deren Finanzierungsarchitektur und die Auswirkungen alternativer Nutzungen auf Immobilienfonds, Beteiligungen und Zielerlöse auch in privaten Haushalten. Ebenso werden wir uns mit den Folgen des demographischen Wandels auseinandersetzen: Mit der Babyboomergeneration verläßt wertvolle Erfahrung und Kompetenz Verwaltungen, Unternehmen, Banken und auch unsere Baustellen.

    Nicht zuletzt wird auch die Debatte um Ressourcen, ob Boden- oder Material, fortgesetzt werden - die Verknappung und politisch angestrebte Begrenzung wird kreative, neue Lösungen hervorbringen.

    In schwierigen Zeiten – welche Rolle sollte einer Real Estate Arena dabei zukommen?

    Die REA zeichnet sich insbesondere durch drei Charakteristiken aus: Sie baut Communities und vernetzt ohne Spartengrenzen. Sie bietet Plattformen für neue Ansätze, einen undogmatischen Diskurs und führt Macher und Investoren zusammen. Und für uns als BDA freuen wir uns ganz besonders: Sie räumt auf mit der populären Gleichung Baukultur = Teuer auf, die auch im politischen Raum lange eine Pole-Position in der Debatte um bezahlbares, nachhaltiges Bauen hatte.

    Sie verbindet Akteure aus Politik, Wirtschaft und Planung, für die Nachhaltigkeit ein echtes Ziel ist: Nachhaltig zu bauen bedeutet, qualitätsvolle, anpassungsfähige Gebäude zu errichten, die nicht nach einigen Dekaden obsolet sind und zu Müll werden. Nachhaltigkeit bedeutet, Wege für einen maßvollen Umgang mit Ressourcen aufzuzeigen - und gleichermaßen die ökonomischen und sozialen Ziele nicht aus dem Fokus zu verlieren.